Seit einem Monat bin ich wieder in Deutschland. In diesem Bericht zeige ich meine Erfahrung mit den Kursen, dem Leben und den Kommilitonen in New York. Wenn ich meinen eigenen Bericht lesen würde, würde ich mich vielleicht nicht auf ein Auslandssemester bewerben. Trotzdem bin ich froh, aufgebrochen zu sein, denn – hallo? – New York ist Gotham City und Big Apple, die Stadt von Rockefeller und Jay-Z, und ich habe dort gelebt, gelernt und geschrieben und bin selbstständiger und dankbarer geworden. Es war mein erster Trip nach Amerika, der mich an die Ost- und an die Westküste führte und mir zeigte, was alles noch geht, akademisch und journalistisch, zum Arbeiten und zum Leben oder einfach, wenn man sich anstrengt.

KURSE

Zunächst hat der Auslandsaufenthalt meinen Bachelorabschluss unterstützt, da mir meine Kurse angerechnet werden. In Mikroökonomie habe ich mich aber nicht, wie geplant, weiter spezialisiert, da das Kursangebot leider nicht so zufrieden stellend war, wie erwartet. Laut der Datenbank IDEAS – RePEc (Research Papers in Economics), ein Dienst der Federal Reserve Bank von St. Louis, der die Forschung ökonomischer Institutionen anhand von Zitationsanalyse und bibliographischen Daten auswertet, ist die Forschung der NYU unter den Top 20 ökonomischen Institutionen weltweit. Das hat sich im Kursangebot im undergraduate-Bereich nicht widergespiegelt.

Ich habe mich vor Studienbeginn für die Kurse „Economics of Energy and the Environment“ und „Privatization“ interessiert. Sowohl Energiemärkte, als auch die Analyse, wie sich Privatisierung oder Re-Kommunalisierung auf Unternehmen auswirkt, hätten meiner Vertiefung in Mikroökonomie geholfen. Leider wurde der erstgenannte Kurs nicht angeboten und im anderen arbeitete der Professor mit einem Lehrbuch aus den 1990ern und hatte nie mehr als acht Studenten in seinem Kurs – 20 bis 40 sind die Regel.

Daher habe ich mich vor Ort noch für einen Kurs an der Stern School of Business entschieden. Die Business School ist ein Teil der NYU, aber der Zugang für Nicht-Business-School-Studenten restriktiv. Glücklicherweise war „Business in Transition Economies“ unter jenen Kursen, die auch Nicht-Stern-Studenten belegen können. Ich empfehle Studenten, die an Stern-Kursen interessiert sind, vorab zu schauen, welche Kurse für Nicht-Stern-Studenten offen sind (PDF Open Access List). Stern ist fast noch besser ausgestattet als die restliche NYU. Zur Einschreibung sprach ich mit einer Beraterin und zeigte, dass ich die vorausgesetzten Kurse in Deutschland belegt hatte. Nach drei Stunden war ich zugelassen.

Business in Transition Economies: In diesem Kurs haben wir Fallstudien und wissenschaftliche Artikel zum Übergang ehemals sozialistischer Länder und Unternehmen zur Marktwirtschaft bearbeitet. Ich würde den Kurs wieder belegen, vor allem, weil ich in Kontakt zu Business-School-Studenten gekommen bin. Meine Kommilitonen waren sehr motiviert und nachdem wir uns am Kursende in einer Gruppenarbeit besser kennen gelernt hatten, fand ich es fast schade, abzureisen.

Economic Development: Der Professor war ein sehr kommunikativer Mensch, der einige Jahre für den Internationalen Währungsfonds (IWF) gearbeitet hat. Gleichwohl blieb der Kurs hinter meinen Erwartungen zurück. Es ist ein Kurs im 300er-Level (von 100, 200 oder 300) und sollte an Makroökonomie anknüpfen. Der Inhalt war umfassend und es gab Online-Tests und viel zu lesen. Allerdings war das meiste Wissen Faktenwissen und die einzige Mathematik betraf das Solow-Modell – ein Modell aus den 50ern. Für einen Kurs auf dem höchsten von drei Levels hätte ich dynamische Makroökonomik erwartet. Ein Teil meiner Kommilitonen waren Studenten der Liberal Studies. Sie lernen nicht für einen wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss, sondern möchten ein breites Grundstudium, um sich anschließend an der School of Medicine, für einen MBA oder einen geisteswissenschaftlichen Masterstudiengang zu bewerben.

Game Theory: Es gibt das Vorurteil, amerikanische VWL-Kurse seien im undergraduate-Bereich weniger mathematisch und formal. „Economic Development“ hat das bestätigt, aber „Game Theory“ widerlegte es. Die Professorin war anspruchsvoll und hat uns fast wöchentlich Hausaufgaben aus zwei Textbüchern rechnen lassen, die in die Endnote eingehen. Außerdem war sie die einzige meiner Professoren, die zwei midterms und ein final gestellt hat – das ist im Schnitt alle fünf Wochen eine Klausur. Ich fand es stressig, dass die Note vom Verhalten der anderen abhängt: Ein A erhalten die Top 29 Prozent der Klasse, ein B die folgenden 40 Prozent und ein C der Rest.

Reporting Downtown: Mein Dozent bei „Reporting Downtown“, ein gestandener Reporter für New York Post und New York Times, schickte uns raus. Die drei Features (700-1200 Wörter und im finalen 1500 Wörter), die einzureichen waren, schrieben wir in einer New Yorker neighborhood. Ich habe daher viel Zeit in Brooklyn Heights verbracht. Besonders spannend war das Multimedia-Project, eine Audio-Foto-Slideshow. „Reporting Downtown“ war ein intensiver Kurs mit talentierten Kommilitonen und der Chance, New York zu sehen, wie es Touristen und vielleicht New Yorker selbst nicht sehen.

In Deutschland bieten wenige Universitäten praktische Journalismus-Kurse, die Ausbildung erfolgt im Volontariat. On-the-job-training nennen Arbeitsökonomen das. In Amerika ist die Ausbildung von Journalisten Aufgabe einer Universität, und die Journalismus-Fakultät der NYU ist eine der besten der USA. Diese Ausstattung und diesen Karriereservice gibt es kaum in Deutschland: Das Gebäude hatte die ganze Nacht auf und auf allen Macs lief die aktuellste Version der Adobe Creative Suite; es kamen Recruiter von Bloomberg und Reuters und es gab Exkursionen, etwa in die Studios von CNBC.

Leider habe ich es aus Zeitmangel nicht mehr geschafft, mich bei den Washington Square News, einer preisgekrönten Studentenzeitung der NYU, zu engagieren. Mein Kurspensum entsprach 32 ECTS und wer noch Sportkurse, etwas Freiwilliges, oder einfach mehr Freizeit im Ausland möchte, sollte drei anstatt vier Kurse belegen. Palladium, das Fitnessstudio der Uni, ist kostenlos für NYU-Studenten.

LEBEN

In meinem Motivationsschreiben vor dem Auslandsemester hatte ich angenommen, eine US-amerikanische Universität unterscheide sich von einer deutschen, die Identifikation sei höher und insbesondere die NYU sei eine einzigartige Uni, da sie in Manhattan und in Reichweite weltweit führender Finanz- und Medienunternehmen liegt. Die NYU ist wahrlich eine spezielle Universität, da sie keinen geschlossenen Campus hat. Viele Studenten pendeln aus anderen Stadtteilen zur NYU. Das ist eine andere Erfahrung von Community als sie Kommilitonen an Campus-Unis haben.

Dieser Unterschied ist mir bewusst geworden, als ich einen Freund in Berkeley und mit ihm Stanford, sowie die German-American-Conference in Harvard besucht habe. Auch hat New York keine nennenswerten Sportmannschaften in amerikanischen College-Ligen, oder zumindest keine, die eine Identifikation schaffen. Sicherlich liegt das an den guten sportlichen Alternativen in New York: Kommilitonen gehen gerne zu Jets- oder Giants-Spielen. Oder es liegt an der der Größe der Stadt und der Uni: Für ein College-Football-Spiel bin ich zur Rutgers-Universität nach New Brunswick in New Jersey gefahren und vermutlich haben fast alle Studenten samstags gar keine Alternative, als College-Football zu schauen.

Außerdem denke ich, dass ein komplettes Studium in den USA definitiv anders ist als eines in Deutschland. Ich bin mit meinem Umzug nach Berlin wirklich erwachsen geworden, nicht nur volljährig: Eigene Wohnung, eigener Tagesablauf, komplett frei! In den USA sind Freshmen tendenziell jünger, noch nicht volljährig und teilen sich ihr Zimmer. Die Erfahrung ist einfach eine andere. New York ist eine unglaublich spannende Stadt zum Leben, vor allem für Menschen, die Geld haben. Zum Studieren fand ich die NYU etwas anstrengend. Mit 60.000 Studenten ist die Universität die größte private Universität der USA – das ist doppelt so groß wie die HU. Zum Mittag ging kaum jemand in eine Dining-Hall, da das Buffet mit $15 Dollar überteuert ist. Stattdessen kauften Studenten Lunch an Food Trucks oder in einem Deli.

Noch einige Bemerkungen zu meiner Unterkunft: Ich habe im Kolping Wohnheim auf der Upper East Side gewohnt. Die Unterkunft war günstiger als ein Wohnheimplatz der NYU. Im Kolpinghaus waren etwa 80 Prozent der Bewohner Deutsche, sie machten dort Praktika oder die ausländische Wahlstation ihres Rechtsreferendariats. Gemeinschaftsbäder wurden täglich geputzt, ein Abendessen war inklusive, wenn es auch bis exakt 19.15 Uhr bestellt worden sein musste. Mein Zimmer war spartanisch, aber es war für mich alleine. Das ist in New York keine Selbstverständlichkeit. WGs sind dort weniger verbreitet als in Deutschland und das, was ich für eine mit dem Kolpinghaus vergleichbare Miete bekommen hätte, wäre deutlich schlechter gewesen als dieses Wohnheim.

KOMMILITONEN

Ich fand es schwierig, Leute kennen zu lernen, da viele Studenten pendeln und schon länger studieren oder in der Stadt wohnen. New York lehrte mich, dass es nicht schlimm ist, alleine unterwegs zu sein. Ich finde bemerkenswert, dass mir Kommilitonen berichteten, sie hätten ihre NYU-Freunde erst im Auslandssemester kennen gelernt, weil jeder NYU-Student einmal ein Semester an einen NYU-Campus in einem anderen Land ist und diese deutlich kleiner seien.

Die Clubs, Fraternities und Sororities sind gut, um Leute kennen zu lernen, aber für so etwas war ich nicht lange genug da. Meine Kommilitonen waren aber immer hilfsbereit und ich hätte mir am Semesterende noch vorstellen können, ein weiteres Semester zu bleiben, da ich mich in einer Lerngruppe und in einer Gruppenarbeit mit Leuten von dort gut verstanden habe. Ich denke, Austauschstudenten in einem Jahresprogramm finden einfacher Freunde und Freundschaften, die länger Bestand haben.

Das Programm für Austauschstudenten an der NYU war nicht so organisiert wie ein Erasmus-Programm. Es gab donnerstags ein wöchentliches Kaffeetrinken im International Office von 15:30 Uhr bis 16:30 Uhr, das sich allerdings mit meinen Kursen und mit Kursen anderer Austauschstudenten überschnitten hat.

FAZIT

Ich denke, es wäre ein Vorteil, das Auslandssemester an der NYU im 6. Semester anstatt im 5. Semester zu machen. Es wäre sicherlich möglich gewesen, eine Bachelorarbeit in New York zu schreiben und dort co-betreuen zu lassen. Außerdem ist die Chance auf ein Praktikum in den USA kaum realistischer, als nach dem Auslandssemester, da die Universität sich bei einem anschließenden Praktikum um eine Verlängerung des Visa gekümmert hätte. Ich musste allerdings für Pflichtkurse aus dem laufenden Wintersemester zurück nach Berlin.

New York war trotzdem eine aufregende Reise. Ich habe gesehen, wie ein Studium in Amerika funktioniert und mich für Kurse am College of Arts and Science, an der Stern School of Business und am Arthur L. Carter Journalism Institute eingeschrieben. Ich kann jedem Austauschstudenten empfehlen, sich in Amerika für Kurse an unterschiedlichen Fakultäten zu melden, um einen deep dive Studium in Amerika mitzunehmen. Ich bin dankbar, die Chance gehabt zu haben, in Amerika zu studieren und in New York zu leben und habe mich akademisch, journalistisch und menschlich weiter entwickelt.