„Not my President!“ Dieser Slogan ist nicht neu. Als Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wurde, galt er als eine Gefahr für den Weltfrieden – und wurde zu einem der geachtetsten Präsidenten, die die USA je hatten.

Doch ist das auf Trump übertragbar? Nein, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. In einem Vortrag an der TU Berlin hat der Ökonom auf Einladung des Berliner Börsenkreises den Wahlsieg des Populisten Trump analysiert – und erklärt, warum die Börsen überraschend positiv reagierten.

Schmieding ordnet Trumps Sieg mit den Stimmen vorwiegend männlicher, weißer, weniger gebildeten Wählern in die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 30 Jahre ein: Globalisierung, Technologisierung und Wirtschaftskrise.

Aus Schmieding Sicht – und das ist eine unter Ökonomen verbreitete Argumentation – ist die Globalisierung unterm Strich eine Erfolgsstory, zumindest wenn das Wohl der ganzen Welt der Maßstab ist. Millionen von Chinesen haben sich aus der Armut gearbeitet, die Hälfte der Weltbevölkerung ist in den Welthandel eingebunden. Einige Verlierer der Globalisierung leben in der westlichen Welt, oft in Ländern mit einem schlechten Bildungsniveau.

Das hat lange niemand gesehen. Durch „billige Ware aus China“, sagt Schmieding, habe es ab 2002 kaum Inflation gegeben. Die Leitzinsen waren künstlich zu niedrig, das Geld amerikanischer Konsumenten floss in jene Blase, die 2008 platzte. Es folgte eine Finanzkrise, dann eine Wirtschaftskrise und in Europa zusätzlich noch eine Staatsschuldenkrise.

„In vielen Ländern der westlichen Welt musste man erklären, dass der Arbeitsplatz weg ist und in der Sparpolitik Sozialleistungen gekürzt werden müssen“, sagt Schmieding. Das habe zum Aufstieg von Links- wie Rechtspopulisten geführt. So kämpft Marine Le Pen in Frankreich für eine protektionistische Politik, Syriza in Griechenland gegen die Austeritätspolitik.

Dabei wurde aus Schmiedings Sicht nach den Krisen vieles richtig und besser als 1929 gelöst, als die USA mit Einfuhrbeschränkungen und einer strengen Geldpolitik ihr Land vor der Weltwirtschaft schützen wollten. Seit 2009 gibt es einen verhaltenen Aufschwung: verhaltene Investitionen, verhaltene Kreditvergabe, verhaltene Lohnabschlüsse.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das gut, denn es gibt nichts, was sich aufstaut und in einer neuen Krise enden könnte, es gibt keine Eigendynamik.

Doch der Aufschwung scheint ein Aufschwung auf Papier und in Excel-Tabellen zu sein. Einen Boom fühlt die Bevölkerung nicht. Dabei sieht Schmieding erste Anzeichen, dass auch im Niedriglohnsektor Löhne wieder stärker steigen, als die Preise. Das stimme ihn optimistisch, den Populismus „in den Griff zu kriegen“.

Was aber ist von einem Präsident Trump zu erwarten? Wenn es Geld kostet, nicht viel, sagt Schmieding. Denn die US-Verfassung definiert sehr genau, dass Budgetentscheidungen immer einer Zustimmung des Kongresses benötigen.

Trump kann keine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen, außer er baut sie in seiner Freizeit selbst.

Im Senat und im Kongress gibt es zwar eine republikanische Mehrheit, aber keine für Trump. Der Sprecher des Kongresses, Paul Ryan, distanzierte sich schon im Wahlkampf von Trump und ist ein harter Sparpolitiker. Für Trumps geplantes Konjunkturpaket wird Ryan kein höheres Staatsdefizit zulassen.

Am Ende werde es einige Kompromiss geben, damit niemand komplett sein Gesicht verliert, vermutet Schmieding. Das könnten etwa Steuererleichterungen für einige Branchen sein, für die im Gegenzug Freibeträge gestrichen werden, damit kein Loch im US-Haushalt entsteht.

Das Ergebnis dürfte sein, das Donald Trump bei großen Worten ganz kleine Brötchen backt.

Erheblich mehr Spielraum – hoffentlich nicht im wörtlichen Sinn – hat Trump in der Außen- und Sicherheitspolitik. Er hat bereits im Wahlkampf getönt, dass die anderen NATO-Mitglieder – vorneweg Deutschland – zu wenig in das Verteidigungsbündnis einzahlen. „Meine größte Sorge ist, dass man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass jedes NATO-Mitglied verteidigt wird“, sagt Schmieding. Ein Pakt zwischen Trump und Putin wäre eine Katastrophe für die EU. Wahrscheinlich wird Trump, der Belgien schon mal für eine Stadt hielt, einen Staab Generäle und Berater um sich versammeln, die ihn mäßigen.

Doch Außenpolitik ist längst nicht mehr das Verschieben von Panzern und Raketen. Viel bedeutender wird Trumps Einfluss auf den Außenhandel. Wird er das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA neu verhandelt? Das birgt das Risiko, dass süd- und mittelamerikanische Schwellenländer wie Mexiko in einen Handelskrieg und eine Wirtschaftskrise kommen. Für Europa dürfte das jedoch kaum spürbar sein.

Kommt es zu einem Handelskrieg mit China? Trump bezichtigt China der Manipulation der Währung, kann als Präsident das Land auch als Währungsmanipulator brandmarken lassen und Importzölle auf einige Produkte verhängen. Und dann? Dann kommen die alten Jobs doch nicht nach Ohio und Illinois zurück, denn Subventionen für die amerikanische Industrie müssen wieder durch den Kongress.

Ich halte einen Handelskrieg mit China für unwahrscheinlich, aber das Risiko ist da. Sollte das Risiko eintreten, können Sie an unseren Börsen 10 bis 20 Prozent abschlagen, vor allem bei zyklischen und exportorientierten Werten.

Zuletzt erklärte Schmieding, warum die Börsen überraschend positiv auf Trump reagierten. „Clinton galt als eine Freundin der Wall Street, aber ihre Partei trat für eine härtere Regulierung der Wallstreet ein“, sagt er. Mit Trump erwarten die Banken keine verschärften Vorschriften und höhere Zinsen. Im Rat der amerikanischen Zentralbank wird Trump bald zwei Stellen mit Notenbankern besetzen, die für höhere Zinsen eintreten.

Und 2018 endet die Amtszeit von Janet Yellen. Trump hat bereits angekündigt sie durch einen Vertreter einer harten Geldpolitik zu ersetzen. Ökonom Schmieding hofft, dass höhere Zinsen in den USA den weltweiten Aufschwung nicht kippen. „Aus wirtschaftlicher Sicht geht es aufwärts“, sagt Schmieding, „aber dass die Politik dazwischen kommt wie Donald Trump, bleibt ein Risiko.“