Anfang Mai war ich in auf dem 47. St. Gallen Symposium – eine hauptsächlich von Studenten organisierten Konferenz in der Schweizer Uni-Stadt in der Nähe des Bodensees. Weil ich häufiger gefragt wurde, was diese Veranstaltung eigentlich sei, möchte ich mit diesem Blogpost antworten – und fünf Punkten teilen, die ich mitgenommen habe.

Ein paar infos vorab

Das St. Gallen Symposium (SGS) wird von einem studentischen Komitee organisiert. An dessen Seite arbeitet allerdings noch eine Stiftung mit mehreren Angestellten. An den drei Konferenztagen sind insgesamt 2.000 Menschen auf dem Konferenzgelände, also dem Uni-Hauptgebäude und der Piazza.

Ziel des Symposiums ist es, den Austausch zwischen den führenden Köpfen von heute und denen von morgen zu fördern. Dafür laden die Organisatoren 100 „Leaders of Tomorrow“ ein, 100 weitere können sich über einen Essay-Wettbewerb qualifizieren. Ich habe übrigens für das Magazine-Team gearbeitet.  Auf 120 Seiten bereit unser Team, darunter Kommilitonen aus Spanien und den Niederlanden, das Symposium auf.

Und nun meine fünf persönlichen Take-Aways:

1. Disruption ist nicht nur technisch, sondern auch politisch

Das Symposiums-Thema Disruption war mir für radikale Veränderungen im technisch-ökonomischen Bereich geläufig. Ein Beispiel ist der Fahrdienstvermittler Uber, der Taxi-Fahrern weltweit den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Für viele Symposiums-Teilnehmer gilt der Begriff auch für politisch-gesellschaftliche Umbrüche. Trump und Brexit sind für viele Gäste so bedrohlich wie Uber für Taxifahrer.

2. Technisch-ökonomische Disruption ist oft voraussehbar

Der ausbleibende Überraschungseffekt macht das Schlagwort Disruption natürlich auch etwas schwach. Dennoch sagten mir mehrere Banker unabhängig voneinander, dass sie sehr genau sehen, wie Facebook, Alibaba oder Apple in die Finanzbranche vorstoßen.  Die richtige Strategie auf veränderten Wettbewerb, neue Geschäftsmodelle und neue Technologien zu finden, bleibt aber schwierig. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass einige Banken nicht ihre Zukunft mit Videotheken teilen.

3. Das Ganze sieht wie eine große Konsensveranstaltung aus, ist es aber nicht

Zwei Beispiele. Martin Wolf, Chef-Kommentator der Financial Times, ist Europa-Freund. Trotzdem lehnt er seit der Euro-Einführung die Gemeinschaftswährung ab – eigentlich ein No-Go unter Europa-Freuden. Ich selbst hatte eine gute Diskussion mit einem jungen Berliner SPD-Mitglied über die 100-Tage-Bilanz von Rot-Rot-Grün. Streit in der Sache, aber auf Augenhöhe ist möglich.

4. Europa und die USA setzten die Agenda, aber vor allem junge Leute aus Afrika, Asien, Arabien und Lateinamerika haben eine andere Sicht auf die Dinge

5. Studentisches Engagement kann etwas erreichen

Jedes Jahr entscheiden sich rund 30 Studenten in St. Gallen dafür, das Symposium vorzubereiten und zu organisieren. Dafür pausieren sie ihr Studium für ein Jahr. Während der Konferenz helfen rund 400 Studenten an Infotresen, beim Catering oder als Chauffeur beim Fahrservice. Die „Leaders of Tomorrow“ kommen in Studenten-WGs unter, Journalisten wie ich übrigens auch. Ich finde es relativ beeindruckend, wie fast alle Studenten hinter einer Sache stehen können. An der HU in Berlin steht keine größere Gruppe hinter irgendwas. Aber ob das überhaupt wünschenswert wäre, ist natürlich auch streitbar – siehe Punkt drei.