Im September habe ich 30 Tage auf Kuba verbracht – zum Reisen und zum Studieren. Einige Hintergründe und Eindrücke rund um die 17. International Summer School in Economics and Management Science in Havanna.

Was ist die Summer School?

Die Summer School ist ein akademische Programm, bei dem Studenten deutscher und kubanischer Unis gemeinsam Kurse und ein kulturelles Programm belegen. Die International Summer School in Economics und Management Science (ISSEM) zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universidad de la Habana fand zum 17. mal statt. Das Programm knüpft an den Austausch an, den die Universitäten schon zu DDR-Zeiten pflegten.

Hier waren die Kurse: Hotel Habana Libre, links dahinter die Wirtschaftsfakultät.

Im Kurs Economic Integration war ich nicht nur Teilnehmer, sondern auch Tutor, da ich einen ähnlichen Kurs bereits an der Humboldt-Universität absolviert hatte und die Position als Tutor kurzfristig nicht besetzt war. Economic Integration bietet eine grundlegende Perspektive auf Mechanismen ökonomischer Integration. Die Grundidee: Gemeinsam können wir effizienter Wirtschaften. Das gilt für Deutschland und Polen, aber auch für Kuba und andere Karibikstaaten.

Wie ist die Situation auf Kuba?

Zwei Wochen bin ich mit Freunden über die Insel gereist: Trinidad, Cienfuegos, Varadero, Vinales.

Als wir Mitte September in Havanna die Summer School starteten, mangelte es plötzlich an Öl. Buslinien, der einzige ÖPNV der 2-Millionen-Einwohner-Stadt, wurden suspendiert, Tankstellen blieben geschlossen und Lieferungen wurden nicht ausgefahren. Leider auch Mineralwasser-Lieferungen, die für die Touristen unentbehrlich sind. Solche Ausfälle sind  nicht jeden Monat auf der Tagesordnung, aber dennoch nicht ungewöhnlich.

Realsozialistischer Nahverkehr: Es gibt nicht genug Busse – und Treibstoff.

Kuba bezieht Öl aus Venezuela und schickt dafür Ärzte in das Land. Wie ein Öltanker Kuba trotz der amerikanischen Blockade überhaupt erreichen kann, konnten (oder wollten?) mir meine Kommilitonen nicht beantworten. „Da gibt es Wege.“ Auch, ob der Ausfall auf Venezuela, die USA oder Kuba selbst zurückzuführen ist, ist unklar. Was meine Kommilitonen aber einhellig feststellten: Die Versorgung mit sämtlichen Importprodukten ist wieder schwieriger geworden, seit Donald Trump US-Präsident ist.

Nach zwei, drei Tagen gab es dann doch wieder Mineralwasser und auch Paletten mit Limonaden und Bieren. Auch Buslinien nahmen den Betrieb wieder auf, nachdem, so schien es, die Planer noch einmal durchgerechnet hatten oder letzte Reserven locker gemacht worden sind. 

Wie gibt’s Internet auf Kuba?

Diesen Post hätte ich auch schon auf Kuba absetzen können. Seit einem Jahr bietet der staatliche Telekommunikationsanbieter ETECSA mobiles Internet auf der Insel an. Für Kubaner gibt es 600 MB für umgerechnet circa 10 Euro. Ein Vertrag, den sich nur diejenigen leisten können, die in einem freien Beruf besser verdienen oder Geld von ausländischen Verwandten erhalten. In öffentlichen WLAN-Parks gibt es Zugang im Stundenpaket: eine Stunde für circa einen Euro. 

Internetkarte: Eine Stunde für $ 1

Die Preise sind in den letzten Jahren bereits gefallen. Langfristig kann natürlich nur echter Wettbewerb, also eine Privatisierung des Telekommunikationssektors wie in Europa seit den 1990ern, den Kubanern Internetzugang wie in der westlichen Welt ermöglichen. 

Die Technik stammt vom chinesischen Netzwerkausrüster Huawei, der Zugang läuft immer über eine Log-In-Seite des Telekommunikationsanbieters. Die Internetnutzung selbst ist weitestgehend frei von Zensur. Anders als in China sind Facebook, WhatsApp und Instagram nutzbar, auch amerikanische oder spanische Tageszeitungen kann man von Kuba aus aufrufen.

Wie läuft das Studiensystem in Kuba?

Studieren ist kostenlos in Kuba. Bildung und Studenten haben einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Tatsächlich fühlten wir uns immer ein bisschen netter behandelt, wenn wir uns nicht als Touristen, sondern Austauschstudenten vorgestellt hatten.

Ein Computersaal in der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät auf Kuba.

Die Studiengänge werden mit einem NC-ähnlichen Verfahren vergeben. Ein ähnliches Prinzip gilt für die Kubaner nach ihrem Abschluss: Je besser die Note, desto besser der Job. Der Staat bietet eine Anstellung an, die der Absolvent für drei Jahre annehmen muss. Sonst ist er verpflichtet, Studiengebühren zurückzuzahlen. Eine Option, die angesichts der geringen Löhne und Vermögen die wenigsten Absolventen nutzen können.

Nach drei Jahren sind die Alumni allerdings frei, den Job zu wechseln oder einen der rund 200 Berufe auszuüben, die seit den Reformen im Jahr 2006 offen sind: Gastronom, Kioskbesitzer oder Taxifahrer. Für diese Kleinunternehmer gilt ein bisschen Marktwirtschaft in der Planwirtschaft. Die Traumjobs unserer Kommilitonen mit Wirtschaftsstudium gibt’s im Tourismus und in den Hotels. Denn dort wird hartes, also an den US-Dollar gekoppeltes Geld gezahlt.

WAS DENKEN MEINE KOMMILITONEN?

Als ich den Studenten David einmal bei einem Rum fragte, wer denn eigentlich die Jobs im Ministerium bekommt, wollte ich eine Diskussion über Systemtreue gerne vermeiden. Also habe ich es positiv formuliert versucht: „Als Volkswirt bist Du ja gut ausgebildet, um Reformen mitzugestalten. Wenn etwas privatisiert wird, ist es wichtig, die Privatisierung zum Vorteil der Kubaner durchzuführen. Ist das nicht etwas, bei dem Du sagst, daran möchte ich mitarbeiten?“ David hat nur gelacht und geantwortet: „Nein, so idealistisch denkt hier keiner.“

Auf Errungenschaften wie das Gesundheits- und Bildungssystem, so ist mein Eindruck, sind junge Kubaner noch stolz. Der Sozialismus aber schimmert nur noch als Fassade. Dahinter, das ist ihnen bewusst, bringt sich bereits eine Oligarchie in Stellung.